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Irgendwo im Lechtal
Irgendwo im Augsburg, im April
Ein junger Mann, in Jeans und roter Faserpelzjacke, schreitet schnell durch eine Nebenstraße Richtung Bahnhof. Seine Tasche und seine durchgelaufenen Turnschuhe, von denen beim einen der Schnürsenkel fast offen ist, lassen ihn etwas nachlässig, ja fast schlampig wirken. Er nimmt seine Umgebung kaum wahr, seine Augen scheinen ins Leere zu blicken, doch wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass er nur in die Ferne schaut – räumlich und zeitlich südwärts. Am Bahnhof, als er auf den Zug warten muss, zieht er ein abgegriffenes Bild aus der Tasche und betrachtet es lange und intensiv. Hin und wieder fährt er mit dem Finger auf dem Bild hin und her, obwohl darauf nur ein graubraunes Etwas zu sehen ist, es könnte eine Felswüste sein. Dann wieder zucken seine Finger , seine Arme vollführen seltsame Bewegungen, seine Waden spannen sich und sein Gesicht gewinnt einen Ausdruck, den man bei Menschen beobachten kann, die sich stark anstrengen.
Irgendwo im Lechtal, im August
Zwei Männer steigen durch ein menschenleeres Kar, das links von einem dunklen Felsturm und rechts von einer hellen Wand eingefasst wird. Der ältere von den beiden trägt eine Hornbrille, der Jüngere – es ist der vom Augsburger Bahnhof – einen Rucksack, dessen Form an eine Banane erinnern könnte. An einem Felsen setzen sich die beiden und während der ältere unter einem Stein ein Bündel Haken, Klemmkeile und Schlingen hervorzieht, betrachtet der Jüngere angestrengt die helle Wand.
Einige Zeit später hängen beide ein gutes Stück über dem Wandfuß unter einem Dach und der Jüngere rüstet sich für´s Weitergehen. Er scheint jedoch Schwierigkeiten zu haben, etwas zittrig greift er in eine Schlinge, die über dem dach an drei Spachtelhaken kunstvoll verspannt ist, und zieht sich daran hinauf. Doch auch über dem Dach kommt er nicht recht weiter, schon nach wenigen Metern hängt er an einem Klemmkeil und probiert ratlos umher. Der Mayr, der hat clifft, clifft hat der", gibt ihm der Untere, Ältere einen Tipp, aber auch ein Versuch mit der Hartstahlklaue bringt den Jüngeren nicht zu dem anvisierten , von unten nach oben geschlagenen Haken, sondern nur samt dem Cliff wieder zum Klemmkeil zurück. Der Jüngere führt wütend Selbstgespräche: wie der Mayr dort den Haken wohl hat unterbringen können, warum er keine Schlinge eingebunden habe und wie überhaupt ein Mensch dahinkommen könne. Nachdem er noch einen zusätzlichen Angstklemmkeil dazugelegt und einige Verrenkungen vollführt hat, schafft er es aber dann doch irgendwie, den Haken zu erwischen; er hängt sichtlich erleichtert die Seile ein und murmelt : „Des is scho a Hund, der Mayr“. Die beiden klettern von da weg noch drei Seillängen ins Neuland hinein, doch als sie sich spät abends im etwas zugigen R4 des Älteren zur wohlverdienten Nachtruhe einrichten , ist immer noch des Mayrs Haken das Gesprächsthema des Tages. |
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Einige Wochen später, unter einer Felsgufel
Einige längliche, dunkle Gebilde liegen nah am Winkel, den die Felswände mit dem nahezu ebenen Boden der Gufel bilden, und nur bei näherem Hinsehen kann man erkennen, dass es sich dabei um in Schlafsäcke gehüllte Personen handelt .Bis auf das Rauschen des Baches ist es nahezu vollkommen still, nur ein leichtes Tappen im Vorfeld der Gufel ist zu hören. Doch da, die Tür des kleinen Schäferhüttchens, das sich in den hintersten Winkel der Gufel duckt, schwingt auf und ein Mann springt heraus -in Unterhosen, mit rotem Bart und Stirnlampe. '“Habt ihr nichts gehört?" fragt er die verstörten Schläfer und durcheilt die Gufel, um gleich darauf zu vermelden, dass er einen Fuchs als nächtlichen Ruhestörer hätte identifizieren können. Aber noch bevor der Hüter der Schafgufel sein Nachtlager hat wieder beziehen können, zerreißt ein unheimliches Pfeifen die Stille der Bergnacht. Und der Bärtige pirscht sich mutig in die Richtung, aus der die Heultöne die Gufelleute schreckten. Doch er entdeckt nichts, dafür lockt ihn ein neues Geräusch wieder in die andere Richtung, wo er abermals dem Fuchs gegenübersteht. Diesen schlägt er mit ein paar Steinwürfen in die Flucht –vorläufig und er kehrt in seine Hütte zurück, wobei er mehrmals feststellt: " Des Pfeifen, des muaß a Steinbock g'wesen sein.'. Noch öfters hörte man in dieser Nacht Steine fallen oder rollen, wenn sich die Gufelleute des - mutmaßlich -tollwütigen Fuchs nur" mit Wurfgeschossen erwehren konnten, der Steinbock aber blieb von nun an stumm.
-Zwei Tage danach -
Es dämmert schon, als zwei Bestalten das besagte Kar herunterstolpern. Der eine ist der mit dem Bananenrucksack, der andere ist sehr, sehr groß und schlank. Sie unterhalten sich über's Klettern im allgemeinen und ob und wie es da oben, wo sie herkommen, wohl weiterginge im Besonderen. Einige Zeit später ist die Dämmerung einer vollkommenen, schwarzen Finsternis gewichen, die alle Berge und auch unsere beiden Wanderer verschluckt hat. „Ralf“ ruft der Kleinere: "He, wo bist du", obwohl der Große nur einen halben Schritt entfernt steht. Dann knien sich beide wieder nieder und beginnen das Gelände mit den Händen nach dem Weg abzutasten. Eine Stunde darauf hat es stark zu regnen begonnen, der Große wäre beinahe in einen Bachtobel gestürzt und der Weg heim ist nicht finden. So haben sich die beiden aufgemacht, stolpern, tasten, krabbeln, taumeln, rutschen und krauchen wieder durch die Schwärze zurück, bergauf, einer ungewollten und unangenehmen Gufelnacht in nassen Kleidern entgegen. Manchmal können sie über ihr Schicksal noch lachen, doch öfters dringen Flüche durch die Nacht .
-Drei Tage später, oben in der hellen Wand -
Auf einer schmalen Leiste in der kompakten Plattenwand stehen –an Haken fixiert -, zwei Kletterer. Der eine ist der mit dem roten Bart, der andere fiel dadurch auf, dass er tags zuvor am Standplatz einschlief. Die beiden am Stand probieren einen Müsliriegel, 20 m über ihnen probiert ein anderer -es ist der Besitzer des "Bananenrucksacks" -, ob der Cliff hält. ( Er hält nicht) .Die am Standplatz versuchen einen Schokoriegel, der oben versucht im Cliff stehend mittels Profilhakens und Stopperkabel einen ins Bohrloch gerutschten Expansionsstift zu bergen. Die Unteren schmieren sich die trockenen Kehlen mit einem Schluck: aus der Trinkflasche~ dem oben schmiert der Fuß auf einem Reibungstritt. Die unten schießen Fotos, der bere schießt ihnen entgegen.
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-Einige Tage danach, etwas höher -
Der mit dem roten Bart steht gespreizt in einer steilen Verschneidung und schlägt mit Urgewalt einen Haken. Er ist schon ziemlich hoch über dem Standplatz, von wo aus der Ältere mit Hornbrille und der Besitzer des Bananenrucksacks gute Ratschläge nach oben schicken. Alle sind sie gespannt, ob und wie es nach der Verschneidung weitergeht. Der Bärtige spreizt nun weit, klettert in den abschließenden überhang hinein. Mit einem Freudenschrei kommentiert er die Tatsache, dass die folgende steile Wand von tiefen, griffigen Rillen zerfurcht ist. Es scheint ein Glückstag zu sein .
Die Sonne steht schon tief, als alle drei dann am Ausstieg der Wand auf einem Band sitzen. Nicht nur die Anstrengung des
Kletterns beschleunigt ihren Kreislauf. Zu zweit. steigen der Bärtige und der Jüngere noch zum Gipfel hinauf. Während sie voller Freude und nicht ganz ohne Stolz ihr Werk ins Gipfelbuch transformieren, sinkt die Sonne dem Horizont entgegen. Aber als diese dann eintaucht in den Dunst und die zwei sich fertig machen für den Abstieg, schwingt schon Wehmut mit; vorbei sind die Träume und es ist fraglich, ob es dafür noch einmal solchen Stoff gibt -irgendwo im Lechtal.
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Der Bärtige spreizt nun weit, klettert in den abschließenden überhang hinein. (die eindrückliche vorletzte SL) |
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Der ältere mit der Hornbrille und der bärtige Steinbpckbändiger |
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