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am Spitz, Teil 3

September

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Diesmal bin ich wieder mit Dieter da, und wir haben als Zugang zum oberen Wandteil die Route »Tatanga Mani« gewählt, sind dann rechts abgebogen und ich sitze im bekannten, schönen Standplatzloch. Dieter ist schon aus dem Loch heraus unterwegs in der ersten neuen Seillänge vom letzten Anlauf. Seine Begeisterungslaute bestätigen mir, dass sich der Aufwand hier wirklich gelohnt hat. Nachdem »Fat Baby« und ich Dieters Spuren gefolgt und am Standplatz angelangt sind, packt mich schnell wieder die Neulandspannung. Ungeduldig behänge ich mich dem Erstbegehungsklimbim und starte die letzten bekannten Meter hinauf zu unserem Umkehrpunkt vom letzten Mal.

Auf guten Tritten, aber die Hände nur an kleinen Rauhigkeiten, gilt es hinüberzu-wackeln an den vom damaligen »Cliffen« wohlbekannten Seitgriff, dann kann das Seil noch ein letztes Mal in einen vorhandenen Haken eingehängt werden. Eine kaum strukturierte und relativ steile Wandpartie versperrt nun den Weiterweg. Ganz weit oben, aber vielleicht gerade noch in erreichbarer Entfernung, verheisst eine Delle ein gutes Griffloch und die Möglichkeit des Weiterkommens. Hineinspannen in die höchsten Ausläufer des Seitgriffes, hoch antreten auf kleinen Rauhigkeiten, dann wandert die Linke zu dem erhofften Henkel. Grosse Enttäuschung – statt Henkel ein ziemlich mässiger Aufleger, der gerade reicht, um wenigstens noch kurz die Felsoberfläche nach weiteren Griffmöglichkeiten abzusuchen – ergebnislos – .Schon geht die Reise bergab und ich finde mich ein paar Meter tiefer im Seil hängend.

 Nach zwei, drei weiteren Anläufen sind die Bewegunsgsabläufe wenigstens schon so weit optimiert, dass ich besser an den Aufleger herankomme, mich schon ein paar Sekunden länger festhalten kann. Zum Weiterklettern jedoch fehlt mir der nächste weiterlockende Zielpunkt. Endlich entdecke ich neben dem Aufleger ein seichtes Mini-Tropfloch, dass die Spitze des schmalen Cliffs gerade eben aufnimmt. Als ich versuche, so ruckfrei wie möglich aus der Kletterstellung in die Cliffschlinge umzusteigen, knirscht die Stahlspitze und rutscht etwas tiefer am Lochrand, doch sie hält. Obwohl die letzte Expreßschlinge nicht allzuweit unterhalb meiner Füsse baumelt, ist das Nachziehen der Bohrmaschine doch wieder eine kitzlige Angelegenheit. Die kaum millimetergrosse Auflegestelle des Cliffs dominiert mein gesamtes Gesichtsfeld und es kostet noch zusätzliche Überwindung, beim Bohren mit der Maschine zu drücken und damit die Belastungsrichtung für den Cliff zu verschlechtern Entsprechend ist die Erleichterung, als ich mich endlich dem neu gesetzten Bohrhaken anvertrauen kann.

Mit dem Haken vor der Nase findet sich dann relativ schnell eine Möglichkeit, durch geschicktes Stellen der Füsse und seitlichen Zug den Auflegergriff wesentlich günstiger zu belasten, ihn besser festhalten zu können. Nochmal eingedreht sehr hoch angetreten, so läßt sich gerade ein versteckten, aber guten Seitgriff erwischen und ich kann mich da aus auf ein kleines Podest retten.

Zwar erreicht im Rest der Seillänge keine Einzelstelle mehr die gleichen Schwierig-keiten, aber auch vom Podest weg bleibt die Kletterei ununterbrochen anspruchsvoll, das Anbringen der Sicherungen trickreich und unterhaltsam. Dieters Geduld am Standplatz wird auf eine harte Probe gestellt, bis – noch fünfzig anhaltenden Klettermeter – das nächste kleine Podestchen endlich die Möglichkeit eines Standplatzes hergibt. Wieder sind die Stunden wie im Flug vergangen, und als Dieter den Weiterweg in Angriff nimmt, zeigt das schräge Licht, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, die Route zu vollenden. Entschlossen startet Dieter vom Stand weg zu einem kleinen Dach, zwei mässige Friends als Sicherung reichen, um mit den Füssen über die Dachkante zu kommen. Mit einem guten Seitgriff und viel Biß, aber sonst relativ wacklig dastehend, holt Dieter die Maschine aus der Kletterstellung nach. Mit dem neuen Haken gut gesichert, balanciert er mit den Füssen direkt über der Dachkante nach links, umgeht somit die grifflose Zone direkt über sich, und erwischt die ersten Wasserrillen, die für den obersten Wandteil so charakteristisch sind. Schnell verschwindet er aus meinem Blickfeld, hin und wieder höre ich noch einen positiven Kommentar zum guten Sitz eines Klemmkeils oder zur Griffigkeit der Wasserrillen. Als ich den letzten Zipfel Seil durch den HMS würge, meldet Dieter Stand und das Ende der Wand.

Bei Dieter angelangt können wir uns leider nicht den Luxus gönnen, sich mal entspannt hinzusetzen und den Ausblick zu geniessen - die Zeit drängt. Die Standplätze müssen noch zum Abseilen umgebaut werden und in den obersten Seillängen verbessern wir noch etwas die Sicherungssituation beziehungsweise versetzen zwei Haken, um keine übermäßige Seilreibung zu provozieren. Danach verschwinden wir so schnell als möglich - ab in die Tiefe und in den Schatten. Am Wandfuss hängen wir die Seile - im »Fat Baby« verstaut- hoch an einen Felsblock unf hoffen, sie so vor scharfen Murmelzähnen schützen zu können.

Beim langen Weg das Parseiertal hinaus planen wir die Anschaffung einer murmel-sicheren Materialtonne und die noch fällige Sanierung der Seillängen Nummer vier bis sieben am nächsten Wochenende. Leider durchkreuzt der erste Kälteeinbruch des Herbstes Teil zwei dieses Planes. Später im Jahr  mangelt es mir dann an Bereitschaft, an einem der kurzen Herbsttage nochmal hochzuspuren zur Freispitz und so findet die neue Materialtonne ihren warmen und murmelfreien Überwinterungsplatz in Dieters Keller.

 

BW11voaus

In der 11. SL (50M, 7+/8-)

BW11SLdreh
bw4slsenk

mittlerer Wandteil, 4.SL

1998

Die Tonne bekommt schließlich ihr Drückebergerdasein erst jetzt, im Frühsommer , ausgetrieben. Bei der  noch fälligen Sanierung des anfangs  noch ursprünglich verbliebenen  Mittelteils der Route machen uns diesmal keine nagefreudigen Murmeltiere, dafür aber kalte Schmelzwasserduschen das Leben schwer. Nutzlos ist die Tonne aber auch nach der Fertigstellung der »Blinden Welt« nicht geworden; es spukt schon der Gedanke an eine Sanierungsaktion im »Sonnengesang« in meinem Kopf und auch sonst gäbe es noch einiges zu tun an der Freispitzwand, sofern die Tonne den Murmeltieren widersteht.